Salaryman
Allegra Pacheco | US 2021 | 80 min | OmeUEs mag für Japan-Neulinge einer der verwunderlichsten Anblicke sein: Auf den nachmitternächtlichen Straßen Tokyos liegen betrunkene Männer, die, wie achtlos vergessen, auf offener Straße ihren übermäßigen Rausch ausschlafen. In einer Art wie man hierzulande eher sozial vernachlässigte Obdachlose vermuten würde, präsentieren sie sich dort in feschen Businessanzügen, Krawatten und Laptop-Handtaschen: Salarymen, so die gebräuchliche Bezeichnung für Büroangestellte. Diejenigen, die es nach dem After-working-hours-Afterhour-Drink mit den Kollegen nicht mehr ins eigene Bett geschafft haben, haben kein Problem damit, sich auf den stets vorhandenen Asphalt zu betten und ein paar Stunden Schlaf nachzuholen, bevor sie am nächsten Morgen wieder einigermaßen fit die restlichen Stunden des Tages am Schreibtisch verbringen. Und auch die Gesellschaft in Form vorbeigehender Passanten, sieht dies eher gelassen.
Die aus Costa Rica stammende Regisseurin Allegra PACHECA fühlte sich allerdings sehr an Tatort-Szenen nach einem Unfall oder gar Mordfall erinnert. Um dies zu verdeutlichen, malte sie jene weißen Linien um die „Opfer”, wie man sie aus US Krimis kennt. Für die Regisseurin stellten sie unter Umständen die Leidtragenden einer ungebremsten Arbeitswelt dar, die, nachdem sie alle Arbeitskraft aus ihren Opfern gesaugt hat, sie unter Drogen setzt und wegwirft. Um dies zu untersuchen hat sie sich in Tokyo umgehört und versucht auch die historische Komponente des japanischen Arbeitsethos zu verstehen.
Regisseurin Allegra PACHECA startete ihr Projekt während ihrer Zeit in Tokyo als Fotoserie. Sie versah die Schlafenden mit den weißen Kreide Outlines und blitzte beinhart darauf, wie eine Tatort Fotografin. Erst danach versuchte sie hinter die selbst gemalte Schablone zu blicken und fand eine lange Tradition der Loyalität zum Arbeitgeber bis hin zur Selbtsaufgabe. Beim Dokumentarfilmfestival Doc LA wurde ihr Film als Bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.