Tetsuo
Shin'ya Tsukamoto | JP 1989 | 67 min | OmUMit: Tomorô Taguchi, Kei Fujiwara, Nobu Kanaoka
1989 wurde das Filmcasino (Kino seit 1911) in seiner heutigen Form als Arthouse-Kino eröffnet. Wir feiern gleich das ganze Jahr 2019 Geburtstag – mit mit vielen filmischen Überraschungen. Ein damals unbekannter japanischer Film lief 1989 im neu eröffneten Filmcasino und feiert auch heuer 30. Geburtstag: Wir zeigen das Meisterwerk Tetuso mit einer kongeninalen neuen Live-Echtzeit-Vertonung des Musik-Kollektivs Okabre
Okabre gibt hier einen dynamisch-musikalischen Kommentar zu grobkörnigem Celluloid. Tsukamotos Stil ist einzigartig, düster und verstörend. Die Klangsynthesen des Kollektivs intensivieren die gemeinsame Wirkung von Bild und Ton stark. Liebevoll-lyrische Momente in Harmonie und Hoffnung schweben gläsern zwischen sonischen Brutalismen die den Soundtrack zu dieser Dystopie erzeugen. Akustische Brecher erschüttern immer wieder den Zuschauerraum, während ein dichter und unaufhörlicher Sog die nächste Szene vorbereitet.
In TETSUO beginnt ein menschlicher Körper, Verbindungen mit metallischen Gegenständen einzugehen. Die Transformation des Organischen beginnt. Das Material wächst und zehrt dabei an den Kräften des Protagonisten. Angst. Das Chamäleon unter den Gefühlen strebt immerzu nach Auflösung. Der Umgang mit dem Angstgefühl wird schon in der Eröffnungsszene gefordert.
TETSUO ist Proto Cyberpunk Horror. Hartes Schwarz-Weiß und hektische Leidenschaft in der Kameraführung erzeugen eine frenetische Vision. Mutationen des Fleisches wie bei David Cronenbergs Filmen VIDEODROME und THE FLY oder ERASERHEAD von David Lynch lassen grüßen. Der Hauptschauplatz des Films war die Privatwohnung des Hauptdarstellers, die gleichzeitig zum Wohnort der gesamten Filmcrew mutierte. Eine fast 2-jährige Drehzeit führte zu unerträglichen, sozialen Spannungen. Shinya blieb alleine zurück und vollendete den Film. Diese schier unerträgliche Spannung und Leidenschaft ist dem Werk eingeschrieben und wirkt ungebrochen. Die tonalen Verdichtungen des Kollektivs eröffnen den ZuseherInnen die Möglichkeit, bis zur Silberpartikelebene der 16mm Streifen vorzustoßen und den Film unerhört detailliert und intensiv zu erleben.
Andreas Wahl – drums
Günther Gessert – theremin, marxophone
Florian Graf – guitar, objects
Manfred Rahofer – electronics
Thomas A. Pichler – bass, synth
electric ray – vocals, effects
Biografie Kollektiv Okabre
Neben Konzertreihen und Installationen beschäftigt sich Okabre seit 2016 mit Echtzeit-Filmvertonungen:
2016 „Ghost in the Shell“ von Mamoru Oshii aus dem Jahre 1995.
2018 „Night of the living Dead“ von George A. Romero 1968. Eine Arbeit für das „Digital Spring Media Art Festival Salzburg“ zum Thema „Transhumanism“.
Im Bereich der Klanginstallationen begleiteten sie den Direktor des botanischen Gartens Linz, Dr. Friedrich Schwarz im Rahmen eines Vortrags über die Sprache der Pflanzen und derer noch wenig erforschten, global vernetzten Biosphäre. Organische Materie war auch Thema des Programms „no retention swap“ mit Iona Steixner als analoge Visualisten am Tageslichtprojektor.
Für das Pygmalion Theater in Wien wurden Teile einer scheinbar verschollenen Partitur von Mozart aus dem Jahre 1777 in die Länge gezogen und als unaufhörlicher Finalsatz in tonalen Schichtung dargestellt.
2019 erscheint neben der Filmkonzertreihe „Tetsuo “ die Neuvertonung von Sergei Paradschanows Meisterwerk „Sayat Nova – Die Farbe des Granatapfels“.
Okabre Kollektiv lebt, arbeitet und wirkt in Wien/Linz und deren Umgebungen.